Es baut sich auf

Es fühlt sich so ein bisschen an wie ein Psychomuster, von dem man merkt, wenn es losgeht und es dennoch nicht anhalten können. Oder Leute, die sehen, wenn eine Flutwelle auf sie zukommt, und sie wissen, wie werden nicht schnell genug rennen können, um ihr zu entgehen. (Und nein, es ist natürlich NICHT so schlimm, wie im echten Leben von einer Flutwelle überrollt zu werden. Vielleicht ist es wie bei Romanfiguren, die sehen, wenn die Welle kommt. Und so. Es geht nur um das Gefühl …)

Bei mir ist es dieses ganz schlimme Bedürfnis, alle Menschen zu bedrängen, die mal irgendwann gesagt haben, sie würden sich vielleicht, eventuell für mein Buch interessieren. Interessieren können. Möglicherweise.
Ich habe schon gefühlte fünfzehn Nachrichten angefangen, die ungefähr so lauteten: “Und? Hast du es schon geschafft, mal reinzulesen?” (Ganz lässig, souverän, als würde es mich nur so am Rande interessieren, weil ich ja fleißig und viel beschäftigt bin.) Natürlich habe ich sie alle wieder gelöscht.
Das ist die Tagsüber-Variante.
Die Abend-Variante – und nein, ich habe noch keine davon abgeschickt! – lautet: “Menno, kannst du dich mal melden? BITTE! Kannst du mir schreiben, dass es dich berührt hat, mitgenommen, dass du lachen musstest und weinen und es dich noch fünf Jahre lang beschäftigen wird? Oder meinetwegen ganz zur Not auch, dass du es völlig blöd fandest, aber MELDE DICH!”
Die schlimmste Qual ist es, rein hypothetisch gesprochen natürlich, wenn jemand sonst Bücher in zwei Stunden frisst und sich dann – also JETZT, wäre es nicht hypothetisch – drei Wochen lang nicht meldet.

Bisher schweige ich (lässig, souverän, als hätte ich anderes zu tun als zu warten und zu bangen), lösche meine angefangenen, absolut peinlich-unprofessionellen Nachrichten und kümmere mich um wichtige Dinge. Neue Cover für INK REBELS Bücher, die Überarbeitung des nächsten Romans, das neue Sachbuch. Also, wenn ich nicht … nur zwischendurch … ganz kurz mal eben bei Amazon reinschielen muss, ob vielleicht noch ein Buch verkauft oder gelesen wurde.

Gott, was waren das noch für selige Zeiten, als die Welt noch analog war.
Als ich Papierbücher per Post verschickte.
Als ich nicht im Zehnminutentakt verfolgen konnte, dass in den letzten zehn Minuten kein neues Buch von mir verkauft wurde. Als mir niemand nebenbei bei Facebook hinwarf “Hey, klingt toll, muss ich auch irgendwann lesen” und ich von dem Augenblick an zitterte und wartete, was die- oder derjenige wohl dazu sagen würde.

Boah. Ich brauch ein echtes Leben.
Wie gesagt, ich merke, wie die Welle anrollt. An dem Tag, an dem ich die erste peinliche Mail wirklich abschicke, such ich mir einen Job im Blumenladen. Oder im Buchladen oder so.
Oder ich designe endlich mal Kiras Cover. Oder schreibe mein Sachbuch.

Dolores und ich

Leo und ich waren eigentlich ganz guter Dinge und glücklich miteinander, als Dolores Umbridge zum ersten Mal auftauchte. Sie stellte sich uns beim Spaziergang in den Weg und verhinderte jedes Weitergehen. Tat ich einen Schritt nach links, war sie da, tat ich einen Schritt nach rechts, ebenso.

Hochmütig blickte sie mich an, lächelte freudlos und sagte mit näselnder Stimme: “Liebes, dein Buch wird sowieso niemand lesen. Es gibt Tausende von Autoren, Hunderttausende, und sie ALLE sind besser als du.”
Der Hund kläffte empört, aber ich stand der Hexe bebend gegenüber und fühlte mich ganz elend. “Meinen Sie wirklich?”
“Aber sicher, Liebes. Such dir doch einfach einen Job beim Bäcker, ja?”
“Nein.” Ich schüttelte den Kopf. “Nein.”
Der Hund bellte immer noch tapfer, doch ich rannte los, rannte, bis mir das Herz in der Brust hämmerte, Leo an meiner Seite. Hinter mir hörte ich Umbridge perlend lachen.

Zitternd kam ich ins Büro und blieb in der Tür zur Teeküche stehen. Alles war friedlich hier und wie immer. Daniela saß am Küchentisch und wetzte Messer, Kira kochte Tee, und Franzi schnitt Marmorkuchen auf. Immer noch ganz aufgelöst, wimmerte ich: “Mein Buch ist das Schlechteste der Welt. ICH bin die schlechteste der Welt. Ich bin nutzlos. ALLE sind besser als ich.” Der Hund winselte leise.

Franzi reichte mir ein Stück Kuchen. “Umbrige, was? Auf welcher Seite bist du?”
“Hundertsechs”, muffelte ich mit Marmorkuchen im Mund. Er war angenehm tröstlich.
“Ist normal!”, rief Jenny aus dem Nebenzimmer. “Das geht wieder weg.”
Ich streckte die Hand nach mehr Kuchen aus. “Wann?”

So ging das los mit Umbridge und mir. Es ist nicht so, dass ich den inneren Zensor vorher nie getroffen hätte. Aber da war er nie so fies, so hartnäckig. So ROSA.
Was beim Marathon der Hammermann bei Kilometer 35 ist (habe ich mir sagen lassen), ist beim Roman Seite 100. Auf Seite 100 sind selbst die Besten oft der Meinung, sie würden gerade das grottigste Buch verfassen, das die Welt je gesehen hat. In der Regel vergeht das wieder.

Als ich aus Angst vor Umbridge das Spazierengehen anfing zu meiden, klopfte sie an der Bürotür, und der dämliche Praktikant ließ sie rein. Ich drückte ihr ein Stück von Franzis Kuchen in die Hand und gab ihr was zu lesen, während ich mich um die Website und die Cover unserer Ink Rebels Bücher kümmerte. Ab und zu räusperte sie sich so, dass es bis zu meinem Schreibtisch zu hören war, und wenn ich dann den Fehler machte, aufzublicken, säuselte sie: “Na, Liebes, da bist du froh, dass du gerade nicht schreiben musst, nicht wahr? Wobei… die Coverfarben sind auch nicht schön. Hier und da fehlt doch ein wenig Rosa… Wir wollen doch, dass die Leser es mögen, oder?”
Ich gab ihr mehr Kuchen. Und Tee mit Zucker.

Dann kam der Tag, an dem ich weiterschreiben musste. Sie schlief gerade, und ich schrieb so schöne Szenen. SO schöne.
Die zum Beispiel, wo Leo zur Orchesterprobe geht und … Hach. Ich hab den ganzen Tag danach Sibelius gehört.
Oder die, wo Loris’ Mutter zu Besuch kommt. Saugut. Was hab ich einen Spaß beim Schreiben gehabt.

Bis … das Räuspern aus der Küche erklang. Kurz darauf hörte ich kurze harte Schritte, und dann sah Umbridge mir über die Schulter. “Ach, bitte, Liebes. Du sollst doch nicht so tun, als könntest du das. Schau mal, allein dieser Ausdruck hier …”
Ich ignorierte sie.
“Liebes, so geht das nicht. Ich dulde keine Nichtbeachtung. Es ist ja nicht nur der eine Ausdruck. Die ganze Szene wird dir niemand abnehmen. Lächerlich geradezu. Du bist ohnehin die schlechteste…”
“HAUEN SIE AB!”, brüllte ich. “Gehen Sie dahin, wo Sie hergekommen sind.”
Sie wackelte tadelnd mit dem Kopf und lächelte weiter dieses unheimliche Lächeln.

Ich holte tief Luft. “Okay. Wir machen einen Deal. Sie dürfen in der Besenkammer bleiben, dort alles rosa einrichten und es sich richtig gemütlich machen. Und wenn das Buch fertig ist, sage ich Ihnen Bescheid, und Sie dürfen jeden einzelnen Absatz kritisieren. Hört sich das fair an?”
Wieder lächelte sie. Mir wurde kalt. “Glaub nicht, dass du mich übers Ohr hauen kannst, Liebes.”
Ich schluckte. “Nein. Würde ich nicht mal versuchen.”

So leben wir seit 40 Seiten in relativ spannungsarmer Ko-Existenz, Umbridge und ich. Ab und zu bitte ich den Praktikanten, ein paar Bonbons in die Besenkammer zu bringen. Er sagt, der Raum wäre jetzt beinahe hübsch, mit allerlei Häkeldeckchen und Dekokatzen.
Gut, sie ist beschäftigt. Noch.

Ich kümmere mich derweil mal um diese richtig, richtig coole Szene, wo Leo am Haus hochklettert. Und vielleicht recherchiere ich nochmal schnell Schlafmittel für Hexen.

Klappentext

“Guck mal, guck mal, guck mal! Viel jugendbuchiger, oder?”

leo_final

Ich schicke die WhatsApp ab und warte.
Meine Nichte ist aber leider nicht so WhatsApp-süchtig wie ich, deswegen muss ich warten.
Und warten.
Und warten.

Vielleicht traut sie sich nur nicht zu antworten, weil sie es total doof findet und nett zu mir sein will?
Meine Lieblings-ehemalige-Praktikantin habe ich auch gefragt, die mochte es. Und meine Teilzeittochter auch. Und ich mag es ja auch. Und in meinem Büro mögen es alle, und meine inneren Instanzen sind glücklich, und meine beste Freundin sagt: “Das ist toll.”

Trotzdem sitze ich jetzt hier und knabbere Fingernägel.
Abends dann endlich: “Viel besser. Sogar mit Protagonistin drauf. 😀 Worum geht es in dem Buch eigentlich?”

Leo braucht einen Klappentext.

Ein Blick in die Teeküche meines virtuellen Büros. “Ist jemand da? Könnt ihr mal gerade gucken?”
Wir schleifen und feilen ein bisschen, ich schulde dem Büro ein paar Cookies mehr, und dann hat Leo einen Klappentext.

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Man muss auch mal loslassen können

Eins hab ich ja noch nicht verraten, was meine Nichte gesagt hat.
Weil ich wusste, dass sie Recht hat, aber weil ich mich nicht von meinem wunderbaren – Gott, isses nicht schön? – Schneecover mit den Herzchen lösen konnte.

Sie sagte:

Das ist ein Cover für ein Erwachsenenbuch.

Zack.

“Isses nicht!”, brüllte die Grafikerin in mir. “Die hat ja keine Ahnung! WER ist denn hier die Grafikerin, häh?”
Und die Autorin schüttelte fassungslos den Kopf und nahm die Grafikerin in Schutz. “Echt mal – kann ja nicht jeder rosa Schnörkel auf dem Cover haben! Deswegen ist es ja noch lange kein Erwachsenenbuch.”
Nur die Marketingchefin nickte bedächtig und strich sich die Haare aus der Stirn. “Mädels, nicht aufregen. Was ist, wenn sie RECHT hat?”

Meine inneren Instanzen sahen sich in die Augen, und eine nach der anderen nickten sie.

Ich dachte an das schlaffe “Jugendbuch”, das ich neulich zum Frühstück gelesen habe, in dem es die Hälfte der Zeit nur darum ging, wieviel Verständnis die (auch untereinander sehr verständnisvollen und konfliktarmen Jugendlichen) mit ihren geschiedenen Eltern haben. Geschrieben von einer 40jährigen Frau für 40jährige Frauen, auch wenn “Jugendbuch” draufsteht.
Aber so ein Buch wird Leo nicht. Und es soll auch nicht so aussehen. Sonst hätte ich es ja gleich Schneesommer nennen können.

Also. Dreimal tief durchgeatmet und WEG MIT DEM SCHNEE.
Weg mit den Herzchen.

Her mit was Neuem!

Tschakka.

Andere meckern über ihre doofen Cover und schrottigen Titel und über die Grafikabteilung, die Argumenten und Änderungswünschen so ablehnend gegenübersteht.
Und hier sind alle so wahnsinnig kooperativ! Die machen alle das, was ich will!
Die Grafikerin arbeitet am besten nachts, und als die Autorin morgens aufwachte, lag der neue Coverentwurf schon am Arbeitsplatz.

[Und an dieser Stelle war jetzt eigentlich ein echt schicker, jugendbuchiger Coverentwurf, den ich euch zeigen würde, wenn mir nicht gerade jemand angeboten hätte, eine Fotosession extra für mich abzuhalten. *herzchen* *herzchen* *herzchen*
Ich darf noch kein rührseliges Begeisterungsposting schreiben, aber ich warte jetzt sehnsüchtig auf die Bilder und nehme so lange den Coverentwurf raus, der die Autorin über zwei Tage hat glücklich in der Gegend rumhopsen lassen. Weil vielleicht ein NOCH schönerer kommt.]

 

 

 

 

Der Test

Ich bin nicht so vermessen, dass ich glaube, mit meinem kleinen Self-Publishing-Projekt jemals in die Buchläden zu kommen – geschweige denn auf den Tisch und nicht ins Regal.
Aber da es ja immer heißt, man soll seinem Buch ein Cover geben, das mit Profi-Covern mithalten kann…
Das hier ist der Härtetest (also, einer der vielen, die Cover und Buch noch bestehen werden müssen) mit dem derzeitigen Entwurf.

Fällt es raus?
Irgendwie schon, oder? Und nicht nur, weil mir nicht hundertprozentig gelungen ist, die Lichtfarbe anzupassen.
Oder doch nicht?
Ich bin leider etwas betriebsblind…

 

Mein hübsches Baby

Donnerstag Abend, und ich bin mit 83 Seiten Rohfassung fast im Zeitplan. FAST.
Aber zwischendurch muss ich ja auch nochmal für Geld arbeiten oder durch die Republik fahren zur Verlagskonferenz, mit dem Hund rausgehen oder nachsehen, ob die Bienen wieder gefüttert werden müssen. Sowas ist auch wichtig.

Oder ich muss ein bisschen prokrastinieren und Cover basteln.
Das Schöne am Selfpublishing ist ja, dass das dann trotz Rumdödelei sinnvoll ist und das Gesamtprojekt weiterbringt. Ich habe also mit fast gutem Gewissen nicht nur zwischendurch ein halbes Stündchen Cover gebastelt, sondern eher so den Zeitgegenwert der 17 zum Wochensoll fehlenden Seiten.

Und, was soll ich sagen?
Ich bin mit dem Ergebnis zufrieden.
Nicht unbedingt mit den 75 Zwischenstufen, die mich dahin geführt haben, aber das macht ja nichts. Die hat bei meinen Verlagsbüchern ja auch niemand je zu Gesicht bekommen.
Und niemand hat die Gespräche gehört, die ich mit meinem Lektor dazu geführt habe. (“Ich will aber das Rosa im Text haben!”)
Analog dazu hat bei diesem Cover niemand die Diskussionen in meinem Büro mitbekommen. Jedes Mal, wenn ich mit einer neuen Idee ankam, kommentierten meine Kolleginnen mit einer Engelsgeduld: “Nee, echt, das kannst du so nicht machen!” — “Das sieht ja aus wie ein humorvolles Kinderbuch!” — “Hmm… erste Assoziation: Frauenroman ab 40.” — “Wird das ein Thriller?!”
Manchmal habe ich zu ihren Bemerkungen mit dem Fuß aufgestampft (“Ich will aber das Rosa!”), andere Male habe ich nur geseufzt und zugegeben, dass ich es selbst eigentlich auch nicht so ganz doll fand. Einmal hatte ich eins, das ich richtig super fand, konnte mir aber das Bild dazu nicht leisten.
Es war also ein langer Prozess bis hierhin.
(Zeige ich es euch jetzt? Das ist ein fieser Moment… Was tu ich, wenn Ihr gleich alle mit dem Finger zeigt und ruft: “Igitt, ist das ein hässliches Baby”?)

Voilà.
Leos Cover.
(Den kitschigen Kreis hab ich extra draufgemacht – ich konnte mich mit Mühe und Not abhalten, Herzchen über das ganze Bild zu streuen.)

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Ich hoffe so sehr, dass Ihr es auch mögt…
Aber seid bloß nicht höflich zu mir! Ehrlich bringt weiter.
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Kill your darlings

Heute ist der Tag, an dem ich meinen Lieblingen den Garaus mache, einem nach dem anderen.
“Kill your darlings” lautet eine wichtige Journalistenregel. Je mehr du an einer Satzkonstruktion hängst, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass sie raus muss.
Bei Charakteren und Szenen ist das nicht so viel anders.

Möge das Gemetzel beginnen.

Schauplatz 1: Martina muss weg

Leos erste 50 Seiten sind geschrieben – Zeit, qualifiziertes Feedback einzuholen, damit ich mich nicht irgendwo festfahre, wo es vermeidbar gewesen wäre. Es geht nichts über erfahrene Kollegen.

Also steckte ich neulich den Kopf durch die Küchentür meines virtuellen Schreibbüros und fragte in die Runde: “Hat jemand von euch Lust, sich Leos Anfang mal anzugucken?”

Gestern Abend um viertel vor zehn wollte ich dann eigentlich ins Bett, als ich eine Nachricht bekam: “Ich bin halb durch.”
“Und?”, fragte ich und wischte mir die feuchten Hände an der Schlafanzughose ab.
“Hol dir was zu trinken.”
O… kay. Ich holte tief Luft. “So schlimm?”
Es war nicht schlimm, gar nicht. Es war nur ehrlich. “Ich werde immer verrückt, wenn alles für etwas total Geiles im Text steht und es fehlen nur ein paar Kleinigkeiten, die das zusammenfügen. Wenn man sich doch selbst lektorieren könnte!”
Total geil, las ich, und Kleinigkeiten. Ich ließ die Luft wieder raus.
Dann: “Diese Martina muss weg.”
“Wie jetzt? Die mag ich! Das ist doch sonst gemein für Leo, wenn die nicht mehr da ist! Und ich brauche sie auch, weil…”
Meine Kollegin lachte sich scheckig.
“Echt.” Ich stampfte beinahe mit dem Fuß auf. “Ich brauche die.”
Sie lachte noch mehr.
Und letztlich hatte sie Recht. Martina musste weg.
Und mit ihr musste ein ganzes prächtiges Haus abgerissen und durch einen schäbigen Schuppen ersetzt werden.
Und Leo musste … Das führt hier zu weit.

Jedenfalls hat die Geschichte durch unser kicherndes Gespräch gestern nochmal einen Zahn zugelegt, und ich freue mich sehr darauf, Martina zu tilgen. Und noch das eine oder andere mehr. “Lass dir mal alles durch den Kopf gehen”, meinte meine Kollegin. “Das war jetzt einmal brutal mit dem Mixer rein.”
Ich mag Mixer. Ich hab da auch kein bisschen verletzten Stolz. Leo soll die beste Geschichte werden, die ich schreiben kann.
10 Seiten weg.
So umbeirum.

Ich geh mal Messer wetzen, denn ich muss mich heute und in den nächsten Tagen nicht nur an Martina vergreifen.

Schauplatz 2: Der Flausch muss weg

Ich mag wundervolle, plüschrosa Flauschwolken.
Ich liebe plüschrosa Flauschwolken.

Für eine meiner Geschichten hatte ich zwei Enden geschrieben: ein krachendes taschentuchverlangendes Titanic-Ende und ein – hach – so schönes, gutes, liebes, buntes Ende, bei dem sich alle, die sich über 220 Seiten gehasst hatten, plötzlich vertrugen und … Gott, war das schön.
Ich mochte beide Enden. Sehr.
Es fiel mir schwer, das Titanic-Ende loszulassen.
Aber ich hatte ja noch das plüschrosa Flauschwolken-Hollywood-Ende.
Entsprechend war ich etwas bockig, als mir meine 14jährige Ex-Praktikantin-jetzt-Lieblingstestleserin mitteilte: “Du, das Ende ist ein bisschen sehr… naja…” Pffft, dachte ich. Ich mag das.
Als nächstes sagte eine testlesende Kollegin: “Du, das Ende… Das ist ein bisschen unglaubwürdig …” Ich biss die Zähne zusammen.
Dann kam das Feedback der freien Lektorin: “Super Buch. Hat mir sehr gut gefallen. Aber dieses Ende…”
OKAY, grummelte ich.
Ich habe es verstanden.
Hmpf. Wenn es ein Film wäre, würde sich kein Mensch an zu viel Plüsch stören.
Und überhaupt.

Ich schickte meiner Agentin das Buch mit dem so schönen Ende.
“Super Geschichte”, schrieb sie. “Gefällt mir sehr gut. Nur das Ende… Das ist ein bisschen zu Hollywood.”

Ich wetze also das Messer und schneide in den nächsten Tagen mit möglichst schnellen, präzisen Schnitten den Flausch weg.
20 Seiten weg, vermutlich um die 50 neu.
ich freue mich, dass ich noch ein bisschen mehr Zeit mit meinen Figuren verbringen darf, bevor sie flügge werden.

Und das entplüschte Ende, das mir gestern beim Spazierengehen einfiel, ist auch ziemlich gut – und fast nicht Hollywood. Fast.