Ich bin da sehr entschlossen

 

Vielen herzlichen Dank an alle, die bei der Cover-Umfrage mitgemacht haben. Ich habe natürlich jegliches Feedback gern gelesen und werde diese Rohfassung noch ein bisschen weiter drehen und kneten, bis sie wirklich hundertprozentig ist.

Ebenso wie den Text.

Texte benehmen sich ein bisschen wie Leute. Jeder hat so seine speziellen Macken.
Ich zum Beispiel räume beim Telefonieren die Spülmaschine aus. Keine Ahnung, wieso. Wenn da nichts auszuräumen ist, renne ich wie ein Tiger im Käfig durch mein Büro, immer hin und her.

Meine Texte sind ähnlich eigenwillig.
Einen Text habe ich mal geschrieben, da geschah alles in Sekundenbruchteilen. Manchmal auch in Bruchteilen von Sekunden. Nichts war jemals einfach nur schnell.

In einem anderen Text haben die Leute in jedem zweiten Satz geseufzt.
“Ich würde es gern glauben.” Ihr Vater seufzte.
Elisabeth hätte ihn gern angeschrien. Statt dessen setzte sie sich seufzend auf die Sofakante.
Ihre Mutter seufzte.
(Naja, GANZ so war’s nicht. Aber FAST.) *seufz*

Und jetzt Leo.
Leo ist sehr entschlossen.
Sehr.
Als meine Kollegin, die jetzt die ersten 69 Seiten testgelesen hat, das erste Mal anmerkte: “So entschlossen kam sie mir gar nicht vor”, dachte ich mir noch nix. Beim zweiten Mal markierte sie es nur noch rot. Beim dritten, vierten und fünften Mal ebenfalls… Und beim zehnten. Und beim zwölften.
Ich werde das jetzt mal entschlossen ausmerzen.

Kill your darlings

Heute ist der Tag, an dem ich meinen Lieblingen den Garaus mache, einem nach dem anderen.
“Kill your darlings” lautet eine wichtige Journalistenregel. Je mehr du an einer Satzkonstruktion hängst, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass sie raus muss.
Bei Charakteren und Szenen ist das nicht so viel anders.

Möge das Gemetzel beginnen.

Schauplatz 1: Martina muss weg

Leos erste 50 Seiten sind geschrieben – Zeit, qualifiziertes Feedback einzuholen, damit ich mich nicht irgendwo festfahre, wo es vermeidbar gewesen wäre. Es geht nichts über erfahrene Kollegen.

Also steckte ich neulich den Kopf durch die Küchentür meines virtuellen Schreibbüros und fragte in die Runde: “Hat jemand von euch Lust, sich Leos Anfang mal anzugucken?”

Gestern Abend um viertel vor zehn wollte ich dann eigentlich ins Bett, als ich eine Nachricht bekam: “Ich bin halb durch.”
“Und?”, fragte ich und wischte mir die feuchten Hände an der Schlafanzughose ab.
“Hol dir was zu trinken.”
O… kay. Ich holte tief Luft. “So schlimm?”
Es war nicht schlimm, gar nicht. Es war nur ehrlich. “Ich werde immer verrückt, wenn alles für etwas total Geiles im Text steht und es fehlen nur ein paar Kleinigkeiten, die das zusammenfügen. Wenn man sich doch selbst lektorieren könnte!”
Total geil, las ich, und Kleinigkeiten. Ich ließ die Luft wieder raus.
Dann: “Diese Martina muss weg.”
“Wie jetzt? Die mag ich! Das ist doch sonst gemein für Leo, wenn die nicht mehr da ist! Und ich brauche sie auch, weil…”
Meine Kollegin lachte sich scheckig.
“Echt.” Ich stampfte beinahe mit dem Fuß auf. “Ich brauche die.”
Sie lachte noch mehr.
Und letztlich hatte sie Recht. Martina musste weg.
Und mit ihr musste ein ganzes prächtiges Haus abgerissen und durch einen schäbigen Schuppen ersetzt werden.
Und Leo musste … Das führt hier zu weit.

Jedenfalls hat die Geschichte durch unser kicherndes Gespräch gestern nochmal einen Zahn zugelegt, und ich freue mich sehr darauf, Martina zu tilgen. Und noch das eine oder andere mehr. “Lass dir mal alles durch den Kopf gehen”, meinte meine Kollegin. “Das war jetzt einmal brutal mit dem Mixer rein.”
Ich mag Mixer. Ich hab da auch kein bisschen verletzten Stolz. Leo soll die beste Geschichte werden, die ich schreiben kann.
10 Seiten weg.
So umbeirum.

Ich geh mal Messer wetzen, denn ich muss mich heute und in den nächsten Tagen nicht nur an Martina vergreifen.

Schauplatz 2: Der Flausch muss weg

Ich mag wundervolle, plüschrosa Flauschwolken.
Ich liebe plüschrosa Flauschwolken.

Für eine meiner Geschichten hatte ich zwei Enden geschrieben: ein krachendes taschentuchverlangendes Titanic-Ende und ein – hach – so schönes, gutes, liebes, buntes Ende, bei dem sich alle, die sich über 220 Seiten gehasst hatten, plötzlich vertrugen und … Gott, war das schön.
Ich mochte beide Enden. Sehr.
Es fiel mir schwer, das Titanic-Ende loszulassen.
Aber ich hatte ja noch das plüschrosa Flauschwolken-Hollywood-Ende.
Entsprechend war ich etwas bockig, als mir meine 14jährige Ex-Praktikantin-jetzt-Lieblingstestleserin mitteilte: “Du, das Ende ist ein bisschen sehr… naja…” Pffft, dachte ich. Ich mag das.
Als nächstes sagte eine testlesende Kollegin: “Du, das Ende… Das ist ein bisschen unglaubwürdig …” Ich biss die Zähne zusammen.
Dann kam das Feedback der freien Lektorin: “Super Buch. Hat mir sehr gut gefallen. Aber dieses Ende…”
OKAY, grummelte ich.
Ich habe es verstanden.
Hmpf. Wenn es ein Film wäre, würde sich kein Mensch an zu viel Plüsch stören.
Und überhaupt.

Ich schickte meiner Agentin das Buch mit dem so schönen Ende.
“Super Geschichte”, schrieb sie. “Gefällt mir sehr gut. Nur das Ende… Das ist ein bisschen zu Hollywood.”

Ich wetze also das Messer und schneide in den nächsten Tagen mit möglichst schnellen, präzisen Schnitten den Flausch weg.
20 Seiten weg, vermutlich um die 50 neu.
ich freue mich, dass ich noch ein bisschen mehr Zeit mit meinen Figuren verbringen darf, bevor sie flügge werden.

Und das entplüschte Ende, das mir gestern beim Spazierengehen einfiel, ist auch ziemlich gut – und fast nicht Hollywood. Fast.

 

Das Exposé lügt nie

Politiker lügen.
Die Werbung lügt.
Aber das Exposé lügt nie. Ehrlich.

Ein Exposé ist im Autorenleben ein kurzer Text, der dem Verlag oder der Agentur auf drei bis vier Seiten das Projekt vorstellt. Als ich mein erstes Roman-Exposé schreiben musste, stand in dem Ganzen einigermaßen ratlos gegenüber.
Dabei ist es eigentlich recht einfach – und sehr nützlich.

Im Exposé steht, um was für ein Buch es sich handelt und ggf., wer die Zielgruppe ist (Thriller? Frauenroman? Jugendbuch? Ab 12? Ab 14?). Außerdem erfährt der Verlag, wie lang das Buch wird und wann es vom Autor aus fertiggestellt werden kann (wenn das noch nicht geschehen ist).

Und dann natürlich – das Wichtigste – die Inhaltsangabe und in der Regel ein kurzer Pitch, eine Art Klappentext für das Buch.

Für viele Autoren ist das Schreiben von Exposés eine eher lästige Pflicht. Wir wollen schließlich einfach unsere Geschichte erzählen.

Aber das wirklich Coole am Exposé ist, dass geübte Autoren, Lektoren, Agenten* schon am Exposé sehen, wo die Geschichte möglicherweise hakt**.
Wo das Exposé schwammig ist, bleibt in der Regel die Geschichte unklar und schwach.

Im Exposé erkennen Profis außerdem, welche Figuren noch keine klaren Motive haben und welche Figuren und Szenen überflüssigen Ballast darstellen und dadurch die Geschichte verwässern.
Das Exposé lügt nie, sagt meine Freundin Jennifer dazu.

Bei diesem Buch zwingen mich keine äußeren Umstände dazu, ein Exposé zu schreiben. Es gibt keinen Verlag, dem ich das Projekt vorhabe zu verkaufen. (Wie gesagt: Es sei denn, einer reißt es mir sowas von begeistert aus der Hand, dass ich gar nicht anders kann, als es herzugeben.)
Aber wenn ich das hier ernst nehmen will, muss ich es genauso professionell angehen, als würde ich ein Buch für einen Verlag planen.

Ich habe also für Leo ein Exposé geschrieben. (Was ich euch natürlich nicht zeigen kann, das wäre ja Spielverderberei.) Ob die Geschichte sich dann doch beim Schreiben anders entwickelt, sei dahingestellt, das passiert auch sonst mal. Vielleicht passt das Ende nicht (der gemeine Gegenspieler soll doch lieber auswandern als unters Auto kommen) oder im Laufe der Geschichte taucht plötzlich ein Charakter auf, mit dem man vorher nicht gerechnet hat.

Aber ein paar Eckdaten kann ich euch durchaus zeigen.

Arbeitstitel
Arbeitstitel gibt es derzeit keinen vernünftigen (den ich öffentlich schon diskutieren würde), für mich selbst nenne ich das Buch „Leo“ oder „die Leo-Geschichte“.
Wenn meine Agentin den Verlagen ein Buch anbietet, bekommt es einen Titel. Dieser heißt deswegen „Arbeitstitel“, weil er so gut wie nie übernommen wird. Marketing-Abteilung, Buchhandelsvertreter, Lektorat – in großen Verlagen brainstormen viele Menschen über den perfekten Titel.
Bei Leo muss ich das beizeiten selbst mit Kolleginnen – und vielleicht auch mit euch – tun.
Hat den großen Vorteil, dass ich selbst das letzte Wort haben werde.
Hat den großen Nachteil, dass dieses letzte Wort falsch sein kann und niemand anders verantwortlich sein wird als ich.

Genre
Dann kommt bei meinen Exposés in der Regel das Genre. In diesem Fall ist es ein realistisches Jugendbuch.
Beim Verlag wäre es ab 14. Nicht, weil ich glaube, dass es ab 14 geeignet ist, sondern weil es nur noch wenige Verlage in Deutschland gibt, die Bücher für „junge Erwachsene“ machen: Young Adult, zum Teil auch “Junge Leser” genannt.
Wenn es nach mir ginge, wäre Leo ab 16.
Moment mal… Es geht nach mir! Ich bin meine Marketingabteilung.
Also. Realistisches Jugendbuch. Young Adult.

Umfang
Und dann muss noch rein, wie lang das Buch werden soll. Ich peile mal 300 Seiten an. Das ist für die Handlung, die mir vorschwebt, ganz realistisch, ohne dass es schwafelig oder zu gehetzt wird. Die Erfahrung zeigt, dass ich im ersten Durchlauf bei schwierigen Szenen schludere. Also lege ich auf die 300 nochmal 50 drauf, die beim Überarbeiten dazu kommen.

Fertigstellungstermin
Fertig soll das Buch im November sein.

Wird es, sofern ich nicht einen superdringenden anderen Schreibauftrag bekomme.
Muss es, weil ich mich ab November in der Regel zusammenrolle und über das schreckliche graue Novemberwetter heule. In meinem Zeitplan werde ich also von Ende November aus zurückrechnen, was wann dran ist.

Und Ihr könnt euch schonmal vormerken, dass Ihr im Oktober oder November über das Cover abstimmen dürft. Mit Gewinnspiel natürlich. 🙂

Kurztext
Leos Kurztext ist im Wesentlichen der, mit dem ich euch das Projekt ganz am Anfang vorgestellt habe. Und die Inhaltsangabe verrate ich natürlich nicht.

Susanne Pavlovic hat ein schönes Video zum Thema “Wie schreibe ich ein Exposé?” gedreht.

* nur für den Sprachrhythmus nutze ich die männliche Form. De facto sind es viel häufiger Autorinnen, Lektorinnen und Agentinnen, mit denen ich zu tun habe als die männlichen Pendants dazu

** Sachbuch-Exposés sind ein bisschen anders, hier geht es um fiktionale Texte