“Aber es ist kein nettes Buch.”

Manchmal passiert es, dass mich Blogger ansprechen, die Kiras Buch Keep On Dreaming gelesen haben und begeistert waren. In der Regel läuft diese Kommunikation ungefähr so ab:
“Hey, ich hab Kiras Buch gelesen. Das ist so toll! Darf ich deins auch rezensieren?”
“Klar”, sag ich, so im ersten Rausch (jemand, der das wunderbare, zauberhafte Keep On Dreaming so liebt wie ich, will mein Buch rezensieren! Das kann nur gut sein!). Und dann schiebe ich unsicher nach: “Aber bist du sicher, dass du das willst? Es ist kein … also, es ist kein nettes Buch. Nur, dass du das weißt.”
“Umso besser”, sagen die Blogger dann manchmal, und dann atme ich tief durch und schicke Wenn ich dich nicht erfunden hätte auf den Weg.

Ich meine, es ist ja nicht so, dass man das dem Buch nicht ansähe, dass es nicht nett ist. Da sind keine plüschglitzernden Prinzen drauf und keine Tauben und keine Herzchen und es heißt nicht Schneesommer. Es ist exakt das drin, was außen drauf ist. Aber irgendwie reicht das nicht, glaub ich. Da muss vielleicht doch ein Warnschild drauf.

Auch wenn die Blogger versichert haben, tapfer zu sein, warte ich natürlich trotzdem immer nervös auf Rückmeldungen. “Sie hassen es”, heule ich dann mein Büro voll. “Sie wollten bestimmt plüschige Prinzen.”
Dolores kichert hämisch.
“Es werden nie alle dein Buch lieben können”, sagt Jenny dann weise. Oder Daniela. Oder Franzi. Oder Kira. “Das wäre doch langweilig.”
“Ich weiß!“, schniefe ich. “Ich mag ja auch nicht alle Bücher. Aber trotzdem. Es ist einfach zu … unnett.”
Jenny seufzt. “Das ist genau das, was ich daran so mag. Man muss schon seine eigenen Gefühle aushalten können, wenn man das liest.”
Dolores kichert immer noch. Sie freut sich schon auf die Party. Aber ich halte sie in Schach, und manchmal schreibt eine Bloggerin: “Hammer! Ich konnte das Buch gar nicht weglegen! Selten habe ich so eine krasse Abfolge von Gefühlen beim Lesen durchgemacht. Danke für eine sehr schöne Geschichte.”
“Das sagt sie bloß so”, flüstert Dolores mir ins Ohr. “Glaub doch nicht, dass du …” Ich stopfe sie wieder in den Schrank und schreibe der Bloggerin, wie sehr mich ihre Worte freuen.

So ging das eine Weile gut. Bis zu meiner Leserunde und den Viersternern. Es ist nicht so, dass Viersterner schlecht wären. Sie sind gut. Das weiß ich.
Ich frage mich nur, ob es nicht vielleicht noch besser gewesen wäre, wenn mir nicht dieser dumme Fauxpas unterlaufen wäre. Als wir die Leserunde einrichteten, hatte ich drei Tage, an denen ich echt überfordert war mit der Welt. Kira und Franzi, die Wunderbaren, haben mich deswegen gerettet und meine Leserunde für mich eingerichtet. Mit dem Text, der auf unserer Website ist und mit der Altersangabe 14+. (Wir haben im Büro lange über diese Angabe diskutiert, hatten sie irgendwann irgendwo stehen, haben sie irgendwann dann doch wieder in Young Adult geändert … Es war ein wenig chaotisch.)
Sie haben mir dann die Leserunde gezeigt und gesagt: “Schau mal drauf, ist das okay so für dich?”
Ich hab nicht draufgeschaut, sondern – wie gesagt, überfordert mit der Welt – einfach gesagt: “Das ist supertoll, ich danke euch so sehr.”

Und dann kamen die Viersterner (durchaus gut, das ist mir bewusst, und ich bin ganz bestimmt nicht undankbar dafür!), die fast alle so umbeirum die folgende Aussage machten: “Tolles Buch. Punkt Abzug dafür, dass mir die Altersangabe sehr jung vorkommt. Außerdem hatte ich was Netteres erwartet.”

Grummelnd gehe ich ins Büro. Dolores bollert von innen gegen die Besenschranktür.
Die anderen arbeiten. Ich trete die Schuhe von den Füßen und schleudere sie in die Ecke. “Ich brauchn neuen Klappentext.”
Jenny sieht auf. “Der ist gut.”
“Da muss mehr Warnung rein. Wie findest du das, wenn ich das so schreibe? Oder so? Oder…”
Tatjana, die Korrekturfee, ist gerade zu Besuch. “Du könntest auch so… Oder so…”
Ich denke nach und schiebe hin und her, bis Jenny genervt sagt: “Es wird nicht besser, wenn du noch zehn Sätze dahinterbaust.”
Dolores jauchzt.

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“Ich kleb ein Warnschild drauf”, sag ich trotzig. warnung2

So könnte das aussehen.
Oder so.

 

 

Also, liebe LeserInnen da draußen. Ihr wisst jetzt Bescheid. Wenn ich dich nicht erfunden hätte ist keine rosa Plüschprinzengeschichte. Es kommen keine Einhörner vor.

Es ist trotzdem sehr toll, find ich (immer dann, wenn Dolores gerade nicht guckt).
Ihr könnt es kaufen oder euch schenken lassen oder mit Kindle Unlimited ausleihen. Und ich werde dann nicht mehr sagen: “Bist du sicher, dass du das willst?”


Nachtrag:

Im Nachhinein finde ich, das hier hört sich an, als würde ich ernsthaft über Viersterner heulen. Das tu ich nicht. Echt nicht! Ich danke euch allen, die ihr euch bisher die Mühe gemacht habt, zu rezensieren, ganz ganz herzlich – egal, wieviele Sterne dabei rumkommen. Ich weiß das zu schätzen, es ist nicht selbstverständlich.
Ich habe aber in diesem Blog versprochen, ehrlich zu sein, was den ganzen Buchprozess angeht, und da gehören auch so Überlegungen dazu wie: “IST die Altersangabe falsch? MUSS der Klappentext anders?” Hm.
Außerdem hört es sich jetzt an wie sonstwas Aufregendes, und jetzt bekomme ich bestimmt Sternabzüge, weil alle 50 Shades of Grey erwarten. Kleine Warnung in die andere Richtung also: Keine Kabelbinder. Das ganze Buch ist absolut kabelbinderfrei.
Es ist ein Jugendbuch. Ab 14. Oder ab 16. Aber es ist immer noch ein Jugendbuch.

 

Es baut sich auf

Es fühlt sich so ein bisschen an wie ein Psychomuster, von dem man merkt, wenn es losgeht und es dennoch nicht anhalten können. Oder Leute, die sehen, wenn eine Flutwelle auf sie zukommt, und sie wissen, wie werden nicht schnell genug rennen können, um ihr zu entgehen. (Und nein, es ist natürlich NICHT so schlimm, wie im echten Leben von einer Flutwelle überrollt zu werden. Vielleicht ist es wie bei Romanfiguren, die sehen, wenn die Welle kommt. Und so. Es geht nur um das Gefühl …)

Bei mir ist es dieses ganz schlimme Bedürfnis, alle Menschen zu bedrängen, die mal irgendwann gesagt haben, sie würden sich vielleicht, eventuell für mein Buch interessieren. Interessieren können. Möglicherweise.
Ich habe schon gefühlte fünfzehn Nachrichten angefangen, die ungefähr so lauteten: “Und? Hast du es schon geschafft, mal reinzulesen?” (Ganz lässig, souverän, als würde es mich nur so am Rande interessieren, weil ich ja fleißig und viel beschäftigt bin.) Natürlich habe ich sie alle wieder gelöscht.
Das ist die Tagsüber-Variante.
Die Abend-Variante – und nein, ich habe noch keine davon abgeschickt! – lautet: “Menno, kannst du dich mal melden? BITTE! Kannst du mir schreiben, dass es dich berührt hat, mitgenommen, dass du lachen musstest und weinen und es dich noch fünf Jahre lang beschäftigen wird? Oder meinetwegen ganz zur Not auch, dass du es völlig blöd fandest, aber MELDE DICH!”
Die schlimmste Qual ist es, rein hypothetisch gesprochen natürlich, wenn jemand sonst Bücher in zwei Stunden frisst und sich dann – also JETZT, wäre es nicht hypothetisch – drei Wochen lang nicht meldet.

Bisher schweige ich (lässig, souverän, als hätte ich anderes zu tun als zu warten und zu bangen), lösche meine angefangenen, absolut peinlich-unprofessionellen Nachrichten und kümmere mich um wichtige Dinge. Neue Cover für INK REBELS Bücher, die Überarbeitung des nächsten Romans, das neue Sachbuch. Also, wenn ich nicht … nur zwischendurch … ganz kurz mal eben bei Amazon reinschielen muss, ob vielleicht noch ein Buch verkauft oder gelesen wurde.

Gott, was waren das noch für selige Zeiten, als die Welt noch analog war.
Als ich Papierbücher per Post verschickte.
Als ich nicht im Zehnminutentakt verfolgen konnte, dass in den letzten zehn Minuten kein neues Buch von mir verkauft wurde. Als mir niemand nebenbei bei Facebook hinwarf “Hey, klingt toll, muss ich auch irgendwann lesen” und ich von dem Augenblick an zitterte und wartete, was die- oder derjenige wohl dazu sagen würde.

Boah. Ich brauch ein echtes Leben.
Wie gesagt, ich merke, wie die Welle anrollt. An dem Tag, an dem ich die erste peinliche Mail wirklich abschicke, such ich mir einen Job im Blumenladen. Oder im Buchladen oder so.
Oder ich designe endlich mal Kiras Cover. Oder schreibe mein Sachbuch.

Tja, und das war’s nun wirklich.

E-Book bei Amazon hochgeladen – check.

Buchblock an den Verleger geschickt – check.

facebook-ad

Werbebild für Facebook (übermorgen!) fertig gemacht. Text hab ich auch so ungefähr klar.

Die ersten Vorableserinnen haben sich gemeldet (und sind dankenswerterweise durch die Bank angetan – puh!). Ich hoffe einfach mal, dass die, die sich nicht gemeldet haben, mir dann nicht in der ersten Woche einen Stern beim großen A reinzwergeln.
Aber bisher bin ich da ganz guter Dinge.
Leo und ich haben verdammt hart miteinander gearbeitet, und es ist das beste Buch geworden, was ich zu diesem Zeitpunkt aus dieser Geschichte machen konnte. Ich mag es sehr.
Nach den bisherigen Feedbacks habe ich Hoffnung, dass mein Büro und ich mit dieser Meinung nicht allein sind.

Und jetzt?
Leergeschrieben.

Ich könnte den Schreibtisch aufräumen. Oder das Wohnzimmer. Oder mal was kochen.

 

Das war’s. Einfach so.

Als ich meinen ersten Roman fertig geschrieben hatte, war mir so feierlich zumute, dass ich gar nicht mehr geradeaus gucken konnte.

Das Gefühl geht mir hier derzeit vollkommen ab, und ich glaube, das liegt daran, dass ich inzwischen so genau weiß, dass “fertig” nicht fertig bedeutet. Die Rohfassung von Leo ist zu Ende geschrieben und von meiner Lieblingstestleserin testgelesen und jetzt im Lektorat.
Vielleicht wird es Zeit, dass ich Leo nicht mehr Leo nenne, sondern den offiziellen Titel nutze. Also: Wenn ich dich nicht erfunden hätte ist im Lektorat.
Und ich… Ich versuche, das Getöse in der Besenkammer zu ignorieren. Wenn die Tür aus Metall wäre, hätte sie bereits Beulen. Dolores Umbridge wird da drin ziemlich ungnädig.
Klar.
Wir hatten ja auch einen Deal, sie und ich. Ich habe ihr versprochen, dass ich sie rauslasse, am Ende.
Aber so weit sind wir noch nicht. Also, sie schon. Sie will dringend raus. Letzte Woche gab es einen Tag, da hat sie es irgendwie geschafft, das Schloss zu knacken, und ich habe mich in letzter Sekunde gegen die Tür werfen und sie zudrücken können.
Eindeutig wird Dolores da drin nicht mehr lange zufrieden sein, da nützen alle rosa Bonnschen der Welt nix.

Was ich dann mache, werde ich sehen. Bis dahin hoffe ich, dass das Lektorat meiner lieben Ink-Rebels-Kollegin Jenny so grausam und gnadenlos ausfällt, wie Lektorate sein müssen, und dass sie mir dennoch den Text zurückgeben wird mit mehr als einem freundlichen “echt schönes Buch, du”. (Genaugenommen hat sie das mit den ersten Seiten schon getan. Da stehen sehr sehr nette Sachen am Rand.)

Dolores, ich und November sind keine gute Kombination.
Ich könnte sie einfach mit einem neuen Buch ablenken. Vielleicht mach ich das. Ich geb ihr was zu lesen.

Countdown

Viele Menschen meinen, dass die USA in Vielem hinterher seien. Der Angstpegel ist wie einstens in der DDR, die Energiepolitik wie hier in den 70ern, und der Wahlprozess ein schlechter Witz. Aber eins können sie definitiv da drüben, auf der anderen Seite des großen Meeres: Feiern.
Am 1. November war Author’s Day – Tag der Autoren.

Die kreativen Menschen von ToothpasteforDinner haben dazu vor vier Jahren eine schöne kleine Skizze entworfen (siehe Bild oben).

Leo und ich, wir sind gerade so ungefähr da:

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Mitte November ist Abgabe, und so schreib ich und schreibe und schreibe. Schiebe schwierige Szenen vor mir her, bis sie genug gewachsen sind und es plötzlich doch geht, schreibe dazwischen leichte, fluffige, vergesse das Essen, sehe nur dann den Himmel, wenn der Hund raus will, schreibe. Koche Kaffee, kreise ein bisschen die Schultern, sage meinen Freundinnen ab, wasche die Haare nur noch einmal in der Woche, schreibe.

Die drei guten, wirklich guten Sachen dabei:

  1. Ich weine (noch) nicht dabei wie in der Grafik
  2. Dolores scheint im Besenschrank glücklich zu sein. Nur manchmal raschelt leise Bonbonpapier. Dafür nerve ich mein Büro täglich mit neuen Szenen, in die ich verliebt bin. (“Guckt mal hier, ist der Dialog nicht supersupertoll?” Sie diskutieren weiter über Jennys Vertrag, Franzis Klappentext, Danielas mörderische Figuren oder Kiras Buchsatz. “Hey”, sag ich dann. “Guckt doch mal! Ist das nicht supertoll?” Sie sehen auf. “Was?” – “Der Dialog hier. Ist der nicht…” – “Der ist sehr cool.” Ich wusste es. Ich mag meine Dialoge.)
  3. Ich freue mich wie bolle darauf, wenn ich das Buch vom Lektorat zurück bekomme, um ihm den letzten Schliff zu geben.

Leo und ich sind also glücklich. Und ich bedaure nicht mal die ganze Aufschieberei in der Mitte, weil ich da ja guten Gewissens sagen kann: Ich hab mal eben ein Label mitgegründet. Ich hatte zu tun.

Auf in den Endspurt. Jammern und Aufschieben geht nicht mehr, denn der Erscheinungstermin ist gesetzt (schlau am ersten Januar, wenn keine tote Katze mehr was kauft … aber es wird ja eh ein Longseller).

Und man kann sogar schon das e-Book vorbestellen. 😀

 

 

 

 

Dolores und ich

Leo und ich waren eigentlich ganz guter Dinge und glücklich miteinander, als Dolores Umbridge zum ersten Mal auftauchte. Sie stellte sich uns beim Spaziergang in den Weg und verhinderte jedes Weitergehen. Tat ich einen Schritt nach links, war sie da, tat ich einen Schritt nach rechts, ebenso.

Hochmütig blickte sie mich an, lächelte freudlos und sagte mit näselnder Stimme: “Liebes, dein Buch wird sowieso niemand lesen. Es gibt Tausende von Autoren, Hunderttausende, und sie ALLE sind besser als du.”
Der Hund kläffte empört, aber ich stand der Hexe bebend gegenüber und fühlte mich ganz elend. “Meinen Sie wirklich?”
“Aber sicher, Liebes. Such dir doch einfach einen Job beim Bäcker, ja?”
“Nein.” Ich schüttelte den Kopf. “Nein.”
Der Hund bellte immer noch tapfer, doch ich rannte los, rannte, bis mir das Herz in der Brust hämmerte, Leo an meiner Seite. Hinter mir hörte ich Umbridge perlend lachen.

Zitternd kam ich ins Büro und blieb in der Tür zur Teeküche stehen. Alles war friedlich hier und wie immer. Daniela saß am Küchentisch und wetzte Messer, Kira kochte Tee, und Franzi schnitt Marmorkuchen auf. Immer noch ganz aufgelöst, wimmerte ich: “Mein Buch ist das Schlechteste der Welt. ICH bin die schlechteste der Welt. Ich bin nutzlos. ALLE sind besser als ich.” Der Hund winselte leise.

Franzi reichte mir ein Stück Kuchen. “Umbrige, was? Auf welcher Seite bist du?”
“Hundertsechs”, muffelte ich mit Marmorkuchen im Mund. Er war angenehm tröstlich.
“Ist normal!”, rief Jenny aus dem Nebenzimmer. “Das geht wieder weg.”
Ich streckte die Hand nach mehr Kuchen aus. “Wann?”

So ging das los mit Umbridge und mir. Es ist nicht so, dass ich den inneren Zensor vorher nie getroffen hätte. Aber da war er nie so fies, so hartnäckig. So ROSA.
Was beim Marathon der Hammermann bei Kilometer 35 ist (habe ich mir sagen lassen), ist beim Roman Seite 100. Auf Seite 100 sind selbst die Besten oft der Meinung, sie würden gerade das grottigste Buch verfassen, das die Welt je gesehen hat. In der Regel vergeht das wieder.

Als ich aus Angst vor Umbridge das Spazierengehen anfing zu meiden, klopfte sie an der Bürotür, und der dämliche Praktikant ließ sie rein. Ich drückte ihr ein Stück von Franzis Kuchen in die Hand und gab ihr was zu lesen, während ich mich um die Website und die Cover unserer Ink Rebels Bücher kümmerte. Ab und zu räusperte sie sich so, dass es bis zu meinem Schreibtisch zu hören war, und wenn ich dann den Fehler machte, aufzublicken, säuselte sie: “Na, Liebes, da bist du froh, dass du gerade nicht schreiben musst, nicht wahr? Wobei… die Coverfarben sind auch nicht schön. Hier und da fehlt doch ein wenig Rosa… Wir wollen doch, dass die Leser es mögen, oder?”
Ich gab ihr mehr Kuchen. Und Tee mit Zucker.

Dann kam der Tag, an dem ich weiterschreiben musste. Sie schlief gerade, und ich schrieb so schöne Szenen. SO schöne.
Die zum Beispiel, wo Leo zur Orchesterprobe geht und … Hach. Ich hab den ganzen Tag danach Sibelius gehört.
Oder die, wo Loris’ Mutter zu Besuch kommt. Saugut. Was hab ich einen Spaß beim Schreiben gehabt.

Bis … das Räuspern aus der Küche erklang. Kurz darauf hörte ich kurze harte Schritte, und dann sah Umbridge mir über die Schulter. “Ach, bitte, Liebes. Du sollst doch nicht so tun, als könntest du das. Schau mal, allein dieser Ausdruck hier …”
Ich ignorierte sie.
“Liebes, so geht das nicht. Ich dulde keine Nichtbeachtung. Es ist ja nicht nur der eine Ausdruck. Die ganze Szene wird dir niemand abnehmen. Lächerlich geradezu. Du bist ohnehin die schlechteste…”
“HAUEN SIE AB!”, brüllte ich. “Gehen Sie dahin, wo Sie hergekommen sind.”
Sie wackelte tadelnd mit dem Kopf und lächelte weiter dieses unheimliche Lächeln.

Ich holte tief Luft. “Okay. Wir machen einen Deal. Sie dürfen in der Besenkammer bleiben, dort alles rosa einrichten und es sich richtig gemütlich machen. Und wenn das Buch fertig ist, sage ich Ihnen Bescheid, und Sie dürfen jeden einzelnen Absatz kritisieren. Hört sich das fair an?”
Wieder lächelte sie. Mir wurde kalt. “Glaub nicht, dass du mich übers Ohr hauen kannst, Liebes.”
Ich schluckte. “Nein. Würde ich nicht mal versuchen.”

So leben wir seit 40 Seiten in relativ spannungsarmer Ko-Existenz, Umbridge und ich. Ab und zu bitte ich den Praktikanten, ein paar Bonbons in die Besenkammer zu bringen. Er sagt, der Raum wäre jetzt beinahe hübsch, mit allerlei Häkeldeckchen und Dekokatzen.
Gut, sie ist beschäftigt. Noch.

Ich kümmere mich derweil mal um diese richtig, richtig coole Szene, wo Leo am Haus hochklettert. Und vielleicht recherchiere ich nochmal schnell Schlafmittel für Hexen.

Klappentext

“Guck mal, guck mal, guck mal! Viel jugendbuchiger, oder?”

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Ich schicke die WhatsApp ab und warte.
Meine Nichte ist aber leider nicht so WhatsApp-süchtig wie ich, deswegen muss ich warten.
Und warten.
Und warten.

Vielleicht traut sie sich nur nicht zu antworten, weil sie es total doof findet und nett zu mir sein will?
Meine Lieblings-ehemalige-Praktikantin habe ich auch gefragt, die mochte es. Und meine Teilzeittochter auch. Und ich mag es ja auch. Und in meinem Büro mögen es alle, und meine inneren Instanzen sind glücklich, und meine beste Freundin sagt: “Das ist toll.”

Trotzdem sitze ich jetzt hier und knabbere Fingernägel.
Abends dann endlich: “Viel besser. Sogar mit Protagonistin drauf. 😀 Worum geht es in dem Buch eigentlich?”

Leo braucht einen Klappentext.

Ein Blick in die Teeküche meines virtuellen Büros. “Ist jemand da? Könnt ihr mal gerade gucken?”
Wir schleifen und feilen ein bisschen, ich schulde dem Büro ein paar Cookies mehr, und dann hat Leo einen Klappentext.

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Tatatatataaaaa!

Vom Handy aus kann ich die Nachrichten in einer meiner Inboxen nicht sehen.
Ich sehe nur, dass da was gekommen ist.
Am Freitag beim Schreibkurs in Wolfenbüttel saß ich also da, wusste, ich habe Post bekommen und rutschte immer unruhiger auf meinem Stuhl hin und her, je weiter der Tag fortschritt.
In meiner Inbox warteten Coverfotos, und ich kam nicht ran.
Bitte, lass sie gut sein. Bitte, lass sie gut sein, bittelasssiegutsein… Der Rechner ist – das schwöre ich – noch nie so langsam hochgefahren. Was mach ich denn, wenn sie nicht gut sind? “Äh, danke, das ist so lieb, aber… äh…”
Sie müssen einfach gut sein.

leo_neu6Als der Rechner mir endlich den Blick in die Inbox gewährte, habe ich fast losgeheult.

Sie waren gut. Sie waren so gut. So passend. So einfühlsam.
So, dass ich was damit machen konnte.

leo_neu10Also konnte ich wieder nicht schlafen, sondern musste nächtelang unzählige Cover bauen.
leo_neu1, leo_neu2, leo_neu3…, leo_ganzneu25, leo_ganzneu26…
Ich kann mit sehr wenig Schlaf auskommen, wenn ich mit Bildern zu tun habe. Und nu sitz ich hier und kann mich nicht entscheiden.

Das hier sind meine Favoriten:

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Man muss auch mal loslassen können

Eins hab ich ja noch nicht verraten, was meine Nichte gesagt hat.
Weil ich wusste, dass sie Recht hat, aber weil ich mich nicht von meinem wunderbaren – Gott, isses nicht schön? – Schneecover mit den Herzchen lösen konnte.

Sie sagte:

Das ist ein Cover für ein Erwachsenenbuch.

Zack.

“Isses nicht!”, brüllte die Grafikerin in mir. “Die hat ja keine Ahnung! WER ist denn hier die Grafikerin, häh?”
Und die Autorin schüttelte fassungslos den Kopf und nahm die Grafikerin in Schutz. “Echt mal – kann ja nicht jeder rosa Schnörkel auf dem Cover haben! Deswegen ist es ja noch lange kein Erwachsenenbuch.”
Nur die Marketingchefin nickte bedächtig und strich sich die Haare aus der Stirn. “Mädels, nicht aufregen. Was ist, wenn sie RECHT hat?”

Meine inneren Instanzen sahen sich in die Augen, und eine nach der anderen nickten sie.

Ich dachte an das schlaffe “Jugendbuch”, das ich neulich zum Frühstück gelesen habe, in dem es die Hälfte der Zeit nur darum ging, wieviel Verständnis die (auch untereinander sehr verständnisvollen und konfliktarmen Jugendlichen) mit ihren geschiedenen Eltern haben. Geschrieben von einer 40jährigen Frau für 40jährige Frauen, auch wenn “Jugendbuch” draufsteht.
Aber so ein Buch wird Leo nicht. Und es soll auch nicht so aussehen. Sonst hätte ich es ja gleich Schneesommer nennen können.

Also. Dreimal tief durchgeatmet und WEG MIT DEM SCHNEE.
Weg mit den Herzchen.

Her mit was Neuem!

Tschakka.

Andere meckern über ihre doofen Cover und schrottigen Titel und über die Grafikabteilung, die Argumenten und Änderungswünschen so ablehnend gegenübersteht.
Und hier sind alle so wahnsinnig kooperativ! Die machen alle das, was ich will!
Die Grafikerin arbeitet am besten nachts, und als die Autorin morgens aufwachte, lag der neue Coverentwurf schon am Arbeitsplatz.

[Und an dieser Stelle war jetzt eigentlich ein echt schicker, jugendbuchiger Coverentwurf, den ich euch zeigen würde, wenn mir nicht gerade jemand angeboten hätte, eine Fotosession extra für mich abzuhalten. *herzchen* *herzchen* *herzchen*
Ich darf noch kein rührseliges Begeisterungsposting schreiben, aber ich warte jetzt sehnsüchtig auf die Bilder und nehme so lange den Coverentwurf raus, der die Autorin über zwei Tage hat glücklich in der Gegend rumhopsen lassen. Weil vielleicht ein NOCH schönerer kommt.]

 

 

 

 

Die Zielgruppe

Ich bin so stolz und glücklich über mein schönes Cover und den tollen, einzigartigen Titel.

“Guck mal, ist das Cover nicht richtig gut geworden?”, frag ich deswegen meine 17jährige Nichte. “Würdest du das im Buchladen in die Hand nehmen und angucken?”

“Auf jeden Fall”, wird sie schreiben, denn es ist wahr. “Das ist das schönste Cover, das ich je gesehen habe, und ich würde es, noch bevor ich das Buch gelesen habe, allen meinen Freundinnen empfehlen.”
Klar, kann ich verstehen, bei dem tollen Cover.
Genau das wird sie schreiben.

Abends um zehn kommt endlich ihre WhatsApp.
“Wahrscheinlich eher nicht.”
Oh.
“Mir gefällt das Design ganz gut, aber mir fehlt die Protagonistin oder das Thema des Buches. Bei einem Drachenbuch könnte zum Beispiel ein Drache drauf sein.”
Ich antworte verschnupft: “Naja, aber … Liebesgeschichte … Herzchen…”
“Klar, die Herzchen sind toll.”
Wenigstens was.
“Falls man die Abbildung so lässt, müsste der Titel irgendwie außergewöhnlich sein.”

Ich … äh … ich mochte meinen Titel.
Ich fand den außergewöhnlich.
Ich fand, der hatte alles, was ein Titel haben muss. Zumindest tausend mal besser als Rosensommer, Himbeersommer, Apfelsommer, Heidelbeersommer und was gerade sonst so an Titeln in ist. (Wobei – das sind ja in der Regel keine Jugendbücher, die haben schon ccolere Titel.)

Und dann dachte ich an Gayle Forman. If I stay. Where She Went. Schöne Bücher mit schönen Titeln. (Okay, ich kenne nur das erste, aber trotzdem. Gute Titel.)
Was, wenn ich das auch könnte, was Gayle Formans Verlagsleute können?

Ein fetter Dank und eine virtuelle Runde Cookies gehen an dieser Stelle an die tollen Frauen aus meinem Büro, die mein Brainstormingbedürfnis nachts um zehn geduldig ertragen haben und mir geholfen haben, den hier zu finden:

cover_(c)juliadibbern6

Ich glaube, so bleibt es jetzt.
Also – der Titel bleibt so (den finde ich so gut, dass ich gleich Titelschutz dafür beantragt habe – das erste Mal in meinem Leben.)
Bis morgen oder so.