Es geht jetzt schon los!
Dass Charaktere mit mir diskutieren, wie eine Geschichte zu laufen hat, kommt vor. Das kennt jeder Autor, jede Autorin. Auf einmal weigert sich eine Figur, in eine Falle zu gehen, die man so sorgsam aufgebaut oder den Typ zu küssen, den man so wunderbar liebenswert angelegt hat. Kommt vor.
Aber dass das schon losgeht, bevor die Geschichte auch nur geplottet ist, ist mir noch nicht passiert.
Gestern – ich sagte ja, mein Gehirn arbeitet auch am Wochenende an sowas weiter, während ich Honig schleudere oder mit dem Hund gehe oder Wäsche aufhänge – gestern also dachte ich über die Figurenkonstellation und die Namen in meinem neuen Buch nach.
Leo hat selbstverständlich eine beste Freundin. Heldinnen brauchen beste Freundinnen. Diese beste Freundin hat einen netten Freund, Timo.
Dachte ich.
Bis er sich in den Türrahmen zum Wohnzimmer lehnte (ich hängte gerade die Wäsche auf), die Arme verschränkte und sagte: “Du hast das falsch verstanden. Ich heiße nicht Timo. Ich heiße Kimo. Mit K. Und ich bin auch nicht Jannes Freund.”
Ich atmete tief durch, schlug das Geschirrtuch glatt und fragte, was er denn wohl so vorhabe in der Geschichte.
Er war sehr klar in seinen Forderungen.
Ich muss darüber nachdenken.
Wenn ich ihm das gebe, was er will, wäre das ungefähr so, als würde ich … als würde ich dem kleinsten Weihnachtsengelchen aus der hintersten Reihe versprechen, dass es dieses Jahr die Geschenke verteilen darf. Für Timo – sorry, Kimo. Mit K. – waren bisher in meinem Kopf so ungefähr zwei Auftritte angedacht. Mit insgesamt vielleicht zwanzig Wörtern.
Na, das kann ja heiter werden. Wenn die jetzt schon als Figuren-Babys eigene Wege gehen wollen, dann prost Mahlzeit.
Dabei ist der Plan eigentlich ein anderer. Normalerweise fange ich langsam an, Figuren kennenzulernen. Mit ein bisschen hilflosem Gekritzel mit vielen Fragezeichen, das ungefähr so aussieht:
Dann schreibe ich etwa 100 Seiten, die für die Tonne sind, weil ich die Figuren noch nicht richtig kenne.
Und dann kann es losgehen.
Bis sie mit mir am Küchentisch sitzen und Kaffee trinken, dauert es in der Regel sehr lange. Und bis sie so real werden, dass ich meinen Mann ernsthaft bitte, meine Grüße auszurichten, wenn er nach Kalifornien fährt, weil Nicholas doch dort wohnt, dauert es noch länger.
Dass dieser Kimo jetzt hier rumhängt und jedes Wort kritisch beäugt, bevor ich auch nur einen einzigen Satz geschrieben habe, macht es schon interessant.
(Nächstes Mal schreibe ich den Post, den ich dieses Mal schreiben wollte, über Zeitpläne, Plotpläne, Figurenpläne und derlei mehr. Falls sich nicht wieder jemand vordrängelt.)